Aachen - Montebourg - Aachen mit dem Rad

Unser Vorstandsmitglied Martin Weins berichtet hier über seine 10tägige Radtour von Aachen nach Montebourg und zurück.

Bei dem  Bericht über seine 900 km lange Fahrt, die zeitgleich mit der Tour de France startete, treten einem schon beim lesen die Schweißperlen auf die Stirn. Insgesamt ist er sehr vergnüglich zu lesen. Also viel Spaß und Martin Chapeau für Deine Leistung.

 

 

Tag 1
Am 01.07.23 startete ich mit meinem Treckingrad mit Zelt und Ausrüstung für eine Woche von Walheim/Kornelimünster in die französische Partnerstadt nach Montebourg. Warum macht man das mit dem Rad?
 

Zum Teil waren es bestimmt die folgenden Gründe :

Die sportliche Herausforderung die ca. 900 km lange Tour mit dem Fahrrad zu bewältigen, dann der Wunsch, ein sinnvolles Ziel zu haben, an dem man am Ende nicht einfach als Tourist ankommt und kaum Kontakte hat, sondern erwartet wird und Menschen besucht, die sich Zeit nehmen für einen deutsch-französischen Dialog und somit die Städtepartnerschaft lebendig mitgestalten. Natürlich freut man sich auch, alte Bekannte wiederzusehen. Da die Jumelage-Komitees dieses Jahr außerdem ihr 60+3 Jubiläum feiern werden, konnte man noch einmal persönlich Einladungen aussprechen, im September nach Walheim zu kommen.
 

Ein weiterer Grund ist bestimmt der, dass eine solche Tour ein unvergessliches Erlebnis ist, an das man sich sein ganzes Leben lang erinnern kann (und der eigene Hintern vielleicht noch länger!)

Und warum alleine? Warum mit Zelt und Schlafsack?
 

Für mich ist Camping die einfachste und unabhängigste Art des Reisens, man guckt wie ist das Wetter, wie ist die verbleibende Kraft, was interessiert mich am Wegesrand, wo will ich verweilen? Man muss nichts im Voraus buchen und kann den ganzen Tag spontan über die „wichtigen Dinge des Lebens“ entscheiden. Man sieht etwas Interessantes und Außergewöhnliches? Wie zum Beispiel die in ganz viele Beachball-Felder verwandelte Stadt Waremme in Belgien? 

Dann schaut man eben zu, solange es einem gefällt. Diese Freiheit und Spontanität bringen dann auch mit sich, dass man morgens noch nicht weiß, wo man die Nacht verbringen wird. Zwar erfordern auch Campingplätze eine gewisse Planung, aber wenn man mit dem Rad ankommt und nur für eine Nacht bleibt, gab es nie irgendein Problem.

 

Wenn man denn einen Campingplatz gefunden hat! Glücklicherweise wurde die tägliche Suche jeden Tag kürzer, nur in Belgien fanden sich die benötigten Campingplätze erst nach ungeplanten Abweichungen von der Route und einigen zusätzlichen Kilometern. Mit Karten und Navigation auf dem Mobiltelefon ist man aber auch dafür gut gerüstet. So ging es über Welkenraedt, Lüttich, Waremme, Hannut nach Oteppe.

Tag 2
Die ersten zwei Tage stand die Durchquerung von Belgien an, in dem es zusätzlich zu den Ravel-Fahrradstrecken auf alten Bahntrassen, an Wasserläufen und Kanälen entlang ein sehr gutes Knotenpunktsystem gibt. Leider hatte ich die ersten Tage der Tour permanent das Gefühl in die falsche Richtung zu fahren, da der Wind immer von vorne kam und das Treten nicht einfacher machte.

Und gerade an den Kanälen hat der Wind seine „Schnellstraßen“. Macht es überhaupt Sinn sich so zu quälen? Was ist, wenn ich einfach umkehre? Peinlich, wenn man vorher den Vorsitzenden über die Tour informiert hat? Nicht unbedingt, es gibt bestimmt eine gute Ausrede: Das schlechte Wetter, technische Probleme mit dem Rad, die nächtlichen Unruhen in vielen französischen Städten, die zeitgleich für viele Zerstörungen und auch bei mir zu einer gewissen Angst führten. Im Endeffekt beschließe ich, dass es trotz des Winds einfacher ist, ans Ziel zu fahren, statt tausendmal zu erklären, warum man es nicht erreicht hat und aufgegeben hat.

Also weiter. Vorbei an Schlösschen, kleinen Orten und Kapellchen und blühenden Leinenfeldern. Beeindruckend auch das Schiffshebewerk in Strépy-Thieu. Über Eghezée, Genappe, Nivelles und Mons zum Campingplatz nach Bernissart. 

Tag 3
Der Grenzübertritt nach Frankreich geschah im Wald. Auch größere Städte lagen auf dem Weg, z.B. Arras mit seinen schönen Plätzen und dem Belfried. Übernachtung in Liencourt.

Tag 4
Weiter über einsame Straßen, ausgedehnte Ebenen, hügelige Landschaften mit weiten Getreidefeldern und immer wieder tiefen Flusstälern, da die Strecke hier nur ca. 15 km vom Meer entfernt verläuft und da Flüsse und Bäche schon fast auf Meeresspiegelniveau fließen, das Umland aber hoch mit einer Höhe von ca. 200 Metern über NN darüber thront.  Auf der ganzen Strecke trifft man immer wieder auf Soldatenfriedhöfe und Hinweise auf die beiden Weltkriege, in Abbeville z.B. zerstörten deutsche Panzer 1940 nahezu die ganze Innenstadt. 

Da hier auch schon die Normandie beginnt, häuften sich natürlich auch schon die schönen Fachwerkhäuser im normannischen Stil. Abends Camping municipale in Bazinval mit heftigem Gewitter. 

Tag 5
Der Regen zwang zu etwas späterem Losfahren und einigen Pausen, aber der Wind hatte sich gelegt, das Durchhalten hatte sich also gelohnt! Dafür jetzt wieder Höhen und Tiefen zu durchradeln über Les Grandes Ventes, Auffay und Yerville bis abends ein gemütlicher und absolut ruhiger Camping à la ferme in Flamanville erreicht war.

Tag 6
Ein morgendlicher kurzer Blick auf einen typischen „pigeonnier“ für Tauben sowie auf die riesige Klosteranlage von Saint-Wandrille de Fontenelle, Ankunft an der Seine mit ihren weiten Mäandern und der Möglichkeit, sich von anderen Radfahrern (im Trikot mit Werbung von Radsport Ganser aus Breinig) im Windschatten ziehen zu lassen. Gute Gelegenheiten übrigens auch immer neue Ausdrücke kennen zu lernen: im Windschatten fahren = lecher la roue.

 

Bei einer Fahrradweg-Umleitung habe ich leider die richtige Strecke verpasst und war damit gezwungen einen Umweg bis Le Havre zu machen mit seinen Vorstädten und Hafenarealen. Aber: So konnte man doch einige schöne Fotos vom Pont de Normandie aus ungewohnter Richtung machen. Mit dem Fahrrad diese über 2 Kilometer lange Brücke zu überqueren macht nicht wirklich Spaß, da die Fahrbahn eine Starke Steigung hat und von vielen schnellen und lauten Fahrzeugen genutzt wird. Aber der Radfahrer hat einen Vorteil gegenüber den Automobilisten: Er kann auf dem höchsten Punkt der Fahrbahn anhalten, die Aussicht genießen und die Konstruktion der längsten Hängebrücke Europas betrachten.
 

Wegen der verlorenen Zeit aufgrund des Umwegs habe ich mir dann eben einen schönen Abend in Honfleur gemacht, wollte eigentlich noch weiter, aber man will ja nicht meckern. Camping du Phare und Restaurant Acte II (Empfehlung des Campingplatzwartes). 

Tag 7
Endlich mal eng am Meer vorbei: Deauville, Trouville, Cabourg, Ouistreham, und Badegelegenheiten an weiten und schönen Stränden. Hier sind Cyclotouristen jetzt häufige Begleiter. Sogar ein Paar aus Los Angelos verbringt ganze Monate auf Frankreichs gut ausgeschilderten Radwegen.


Dann ist wieder eine andere Art von Tourismus vorherrschend: an den Landungsstränden der Normandie ließen sich sehr viele englischsprachige Töne vernehmen, viele womöglich auf den Spuren ihrer Väter und Großväter, die allseits als Helden gefeiert werden. Übrigens jährt sich der D-Day 2024 zum 80. Mal, wer hin will, sollte langsam seine Unterkünfte buchen. Oder mal bei Freunden aus der Partnerstadt fragen!
 

Nach dem Sonnenuntergang überm Hafen von Port en Bessin legt sich auch ein erschöpfter Radfahrer glücklich in sein Zeltchen. 

Tag 8
Omaha-Beach, Isigny-sur-Mer, Carantan, langsam sind mir die Namen vertrauter. Leider war der Empfang in Montebourg unschön mit dem schlimmsten Regenschauer der ganzen Tour verbunden.

Umso herzlicher wurde es dann, als mich der Vorstand des Comité de Jumelage empfing und sich mit mir über die Ankunft in Montebourg freute. Beim apperitif dinatoire bestand dann genügend Gelegenheit, von den großen und kleinen Details der Radreise zu erzählen. Und wieder die Fage, warum man sowas macht. Siehe oben. 

Tag 9
Um nicht allzu lange von meiner Familie weg zu sein, stand am Sonntag schon wieder die Rückreise an, nein, nicht nur per Rad, sondern größtenteils per Zug. Aus einem Gespräch mit einem anderen Cyclotouristen, der von Dünkirchen die 2000 km bis Biarritz fahren wollte (es gibt also noch andere Verrückte!) hatte ich behalten, dass man Fahrräder im TGV nur in einer Tasche transportieren darf, hatte ich aber keine passende dabei, also kein Schnellzug, sondern die Regionalzüge TER, die immer Platz haben für sperrige Fahrräder und das ohne zusätzliche Kosten.

Kein Vorteil ohne Nachteil: Sie fahren dafür langsamer und halten öfter an. Umsteigen in Caen und Rouen. Deshalb ließ sich die Rückfahrt auch nur in 2 Tagen bewerkstelligen, was ja noch schnell ist im Vergleich zum Fahren per Velo. Übrigens muss man nicht denken, dass ein Fahrrad auf der Rückreise das reinste Hindernis ist. Abends ist es super, um wieder schnell zum Campingplatz direkt am Château von Bertangles, nördlich von Amiens, zu gelangen. 

Tag 10
Hatte tatsächlich noch mal Lust vom Schloss die 54 km bis Arras zu radeln, bevor ich dort in den TER nach Douai und später in den nach Valenciennes stieg.

 

Dort erstmal Endstation und mit dem Rad über die Grenze nach Belgien. Absoluter Glücksfall: kaum war ich in Quiévrain angekommen, konnte ich auch schon in den Zug nach Lüttich einsteigen. Die SNCB berechnet allerdings im Gegensatz zur SNCF einen Zuschlag für Fahrräder. Im momentan eingefärbten Bahnhof Liège Guillemin umsteigen in den letzten Zug dieser Reise bis Welkenraedt. Von dort dann noch einmal 20 km radeln bis in die Heimat.

 

Bilanz: keine Panne, keine Unruhen (außer in Douai, wo einige mit Spanplatten vernagelte Schaufenster sichtbar waren), leichter Sonnenbrand, um viele Eindrücke reicher, Geschichtswissen noch einmal aufgefrischt und nach dem überaus freundlichen und die Fahrt würdigenden Empfang durch die Städtepartner in Montebourg die Gewissheit, ein klein wenig zur deutsch-französischen Freundschaft beigetragen zu haben. Denn auch 60 Jahre nach dem Elyséevertrag, der  genau diese offiziell begründet hat, lebt sie von Aktionen und nicht nur davon, dass man längst partnerschaftliche Beziehungen unterhält, die Vertrautheit zwischen Deutschen und Franzosen muss auch gelebt werden. Amen.
 

Also Ende gut alles gut, oder wie man auf Französisch sagt: Tout est bien qui finit bien, und das kann ich voll und ganz über diese Tour sagen! Herausforderung angenommen und erfüllt! Wohin geht’s beim nächsten Mal?

 

 

Ja und wenige Tage nach seiner Rückkehr haben wir Martin Weins zu seiner Leistung und seiner völkerverbindenden Tour beglückwünscht und ihm zur Erinnerung noch ein von unserem Vorsitzenden Gerd Schnuch kreirtes Käsebrett überreicht.

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